WASSERDAMPFDESTILLATION
Bei
einer Wasserdampfdestillation ist es möglich, eine Flüssigkeit mit
einem sehr hohen Siedepunkt (in unserem Fall Eugenol, das ätherische Öl
der Gewürznelken, Siedepunkt 253°C) gemeinam mit Wasser bei einer
Temperatur von unter 100°C zu destillieren. Wie ist das möglich?
Um zu verstehen was auf der Teilchenebene bei einer Wasserdampfdestillation passiert, musst du zunächst vestehen, was man unter Druck, Luftdruck und Dampfdruck versteht und was dies mit der Siedetemperatur von Flüssigkeiten zu tun hat.
![Abb.1: Gewürznelken](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000054-6e57e6f552/Gew%C3%BCrznelken.jpg?ph=8ba51369d5)
1. Druck im Teilchenmodell
Stell dir einen mit Luft gefüllten Luftballon vor. Die Teilchen des Gases (der Luft) innerhalb des Ballons bewegen sich und stoßen nach einer gewissen Strecke freien Flugs untereinander und mit der Wand zusammen. Bei jedem Zusammenstoß mit der Wand üben die Luftteilchen eine Kraft auf die Wand aus (siehe Abb.2 und die Animation). Genau dies versteht man unter Druck:
Druck ist die Kraft, die auf eine bestimmte Fläche wirkt.
Wenn du den Ballon nun ein Stück zusammendrückst, haben die Luftteilchen im Ballon weniger Platz, um sich zu bewegen. Sie stoßen häufiger gegen die Wände des Ballons, wodurch der Druck im Ballon steigt. Je höher der Druck ist, desto öfter stoßen die Teilchen in der gleichen Zeiteinheit zusammen oder gegen die Wand und desto größer ist dann auch die Kraft, die auf die Wand ausgeübt wird. Dies wird durch die zweite Animation rechts veranschaulicht.
![Abb.2: Die Luftteilchen in dem Ballon prallen gegen die Wand und üben eine Kraft auf die Wand aus. Dies erzeugt einen Druck](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000055-20843217c8/Druck%20Ballon.jpg?ph=8ba51369d5)
![](https://phlorenz.files.wordpress.com/2019/02/druck-ballon2.gif?w=584)
![](https://phlorenz.files.wordpress.com/2019/02/druck-animation.gif?w=360&zoom=2)
2. Luftdruck und Dampfdruck
In der Animation mit dem Ballon sieht man auch die Teilchen der Luft, die von außen gegen den Ballon prallen (siehe Abb.3). Den Druck, den sie von allen Seiten in gleicher Weise auf den Ballon ausüben, nennt man Luftdruck.
Auch auf die Oberfläche einer Flüssigkeit stoßen die Teilchen der Luft und üben damit einen Druck auf die Flüssigkeit aus (siehe Abb.4).
Gleichzeitig haben die Teilchen der Flüssigkeit das "Bestreben", den Flüssigkeitsverband zu verlassen und einige der Teilchen tun dies auch ständig und zwar auch schon unterhalb des Siedepunktes der Flüssigkeit (wenn dies nicht so wäre, würde Wasser nicht verdunsten). Die gasförmigen Flüssigkeitsteilchen bilden einen Dampf über der Flüssigkeit und stoßen gegen die Luftteilchen. Der Druck, den die verdampfende Flüssigkeit ausübt, nennt man Dampfdruck (siehe Abb.5). In diesem Fall wirkt der Dampfdruck gegen die über der Flüssigkeit stehende Luft.
![Abb. 3: Die Teilchen der Luft prallen von allen Seiten von außen auf die Wand des Ballons und üben einen Druck aus](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000056-d4b56d5b01/Ballon%20Luftdruck.jpg?ph=8ba51369d5)
![Abb.4: Luftdruck, der von oben auf eine Flüssigkeit wirkt](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000057-df50de04a0/Luftdruck%20Fl%C3%BCssigkeit.png?ph=8ba51369d5)
![Abb. 5: Dampfdruck einer Flüssigkeit](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000058-2555e264e3/Dampfdruck.png?ph=8ba51369d5)
3. Der Dampfdruck ist stoffabhängig
Der
Dampfdruck verschiedener flüssiger Stoffe ist unterschiedlich. Er hängt
davon ab, wie leicht eine Flüssigkeit verdunstet, was wiederum von der
Molekülstruktur und der molaren Masse abhängt.
Allgemein
ist es so, dass große und schwere Moleküle schlechter in die Gasphase
übertreten können als kleine und leichte Moleküle. Stoffe, deren
Moleküle nur schwer in die Gasphase übertreten können, verdunsten
schlecht und haben einen niedrigen Dampfdruck (sie bilden nur wenig
Dampf durch Verdunstung und dieser wenige Dampf übt nur einen geringen
Druck auf die über der Flüssigkeit befindliche Luft aus).
Auch die Polarität spielt eine Rolle. Polare zwischenmolekulare Anziehungskräfte wirken stärker als unpolare zwischenmolekulare Anziehungskräfte. Sehr polare Moleküle werden durch starke polare Anziehungskräfte zusammengehalten und gehen daher nur sehr geringfügig bis gar nicht in die Gasphase über. Der Dampfdruck solcher Stoffe ist daher gering.
![Abb. 6: Stoff- und Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks. Bei Normaldruck 1013mbar sieden Wasser, Ethanol und Diethylether bei unterschiedlichen Temperaturen. Bei einer bestimmten Temperatur (z.B. 20°C) haben alle drei Stoffe einen unterschiedlichen Dampfdruck.](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000059-917269280a/Stoff-%20und%20Druckabh%C3%A4ngigkeit%20des%20Siedepunktes.jpg?ph=8ba51369d5)
![Abb. 7: Wenn der Dampfdruck genauso hoch ist, wie der Luftdruck, siedet die Flüssigkeit](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000060-7e8417f7e2/Luftdruck%20gleich%20Danpfdruck.png?ph=8ba51369d5)
4. Nun kommt die Temperatur ins Spiel:
Der Dampdruck ist von der Temperatur abhängig. Je höher die Temperatur ist, desto schneller bewegen sich die Teilchen der Flüssigkeit, desto mehr Dampf entsteht über der Flüssigkeit und desto höher ist der Dampfdruck.
Unterhalb des Siedepunktes bewegen sich die Teilchen der Flüssigkeit nur langsam und es verlassen nur wenige Teilchen den Flüssigkeitsverband. Der von oben auf die Flüssigkeit einwirkende Luftdruck ist aber noch höher als der Dampfdruck der Flüssigkeit, wodurch die Flüssigkeitsteilchen daran gehindert werden, in größerem Ausmaß in den gasförmigen Aggregatzustand überzugehen, sodass nur sehr wenige Teilchen den Flüssigkeitsverband verlassen und nur wenig von der Flüssigkeit verdunstet (siehe Abb. 8).
Je höher die Tempeatur der Flüssigkeit wird, desto mehr Flüssigkeitsteilchen gehen in den gasförmigen Aggregatzustand über, wodurch der Dampfdruck der Flüssigkeit steigt. Sobald die Temperatur der Flüssigkeit so hoch ist, dass ihr Dampfdruck genauso hoch ist, wie der Luftdruck, beginnt die Flüssigkeit zu sieden (siehe Abb.7).
![Abb. 8: Wenn der Dampfdruck niedriger ist als der Luftdruck, siedet die Flüssigkeit nicht](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000061-8f01e8ffaa/Luftdruck%20gr%C3%B6%C3%9Fer%20Dampfdruck.png?ph=8ba51369d5)
5. Wasserdampfdestillation
Bei einer Wasserdapfdestillation werden
zwei nicht ineinander lösliche Flüssigkeiten zueinander gegeben und
gemeinsam destilliert. In unserem Versuch handelt es sich um Wasser
und das ätherische Öl der Gewürznelke, das Eugenol. Wassermoleküle sind
sehr polar und Eugenol-Moleküle sind eher unpolar, wodurch sich Eugenol so gut
wie gar nicht in Wasser löst (siehe Abb. 9).
Bei einer Wasserdampfdestillation gelingt es, ein Gemisch aus zwei nicht ineinander löslichen Flüssigkeiten bei einer Temperatur zum Sieden zu bringen, die unterhalb der Siedepunkte jedes der einzelnen Stoffe liegt. Dadurch schaffen wir es, Eugenol, das eigentlich erst bei einer Temperatur von 253°C siedet, schon bei einer Temperatur von kanpp unter 100°C zum Sieden zu bringen damit zu destillieren. Aber wie funktioniert das?
Wenn zwei nicht ineinander lösliche Füssigkeiten zusammen gegeben werden, dann addieren sich die beiden Dampfdrücke der einzelnen Flüssigkeiten, sodass der Gesamtdampfdruck aus beiden Dampfdrücken der einzelnen Stoffe schon bei einer niedrigeren Temperatur so hoch ist, wie der Luftdruck. Man kann es sich so vorstellen, dass nun zwei Personen statt nur einer sich gegen eine klemmende Tür stemmen, um diese zu öffnen. Jede der beiden Personen muss bei der gemeinsamen Anstrengung selber weniger Energie investieren, um die Tür zu öffnen, als wenn er alleine wäre. Bezogen auf unsere Flüssigkeiten bedeutet das, dass jede der Flüssigkeiten weniger stark erhitzt werden muss, um zu sieden (siehe Abb. 10).
![Abb. 9: Skelettstruktur von Eugenol](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000062-15e3416dcd/Eugenol.png?ph=8ba51369d5)
![Abb. 10: Bei zwei nicht ineinander löslichen Flüssigkeiten addieen sich die Dampfdrücke, wodurch der Luftdruck schneller überwunden werden kann.](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000063-518e252830/Dampfdruck%20Addition.png?ph=8ba51369d5)
6. Wie ist es bei ineinander löslichen Flüssigkeiten?
Wenn sich zwei Flüssigkeiten
ineinander lösen, dann können die Teilchen der beiden Flüssigkeiten
zwischenmolekulare Wechselwirkungen zueinander eingehen. Die Lösung
(das Gemisch) verhält sich dann wie ein "einziger Stoff". Der
Gesamtdampfdruck der Lösung bewegt sich zwischen den beiden
Dampfdrücken der einzelnen ineinander gelösten Flüssigkeiten und
ist vom Stoffmengenanteil jeder der einzelnen Flüssigkeiten in der
Lösung abhängig.
Je höher der Anteil der Flüssigkeit 1 in der Lösung ist, desto mehr ähnelt der Gesamtdampfdruck dem Dampfdruck der Flüssigkeit 1. Genauso ist es auch bei Flüssigkeit 2. Wenn die Lösung zu genau 50% aus jeder der einzelen Flüssigkeiten besteht, dann ist der Gesamtdampfdruck auch genau zwischen den beiden Dampfdrücken der einzelnen Flüssigkeiten (siehe Abb. 11).
Eine Wasserdampfdestillation lässt sich daher nur bei nicht ineinander löslichen Flüssigkeiten durchführen.
![Abb. 11: Dampfdruck (Pges) zweier ineinander löslichen Flüssigkeiten](https://8ba51369d5.cbaul-cdnwnd.com/2a6ffb6e6a0eb2b7cd64bc1207acceae/200000064-573ad5833e/Dampfdruck%20zweier%20ineinander%20l%C3%B6slicher%20F%C3%B6%C3%BCssigkeiten.png?ph=8ba51369d5)
Übungen
1. Erläutere, was man unter dem Dampfdruck versteht und erläutere anhand der Molekülstrukturen und Molekülmassen von Diethylether, Ethanol und Wasser die unterschiedlichen Dampfdrücke der drei Stoffe bei 20°C.
2. Vergleiche die Wasserdampfdestillation mit der "normalen" Destillation (Gemeinsamkeiten und Unterschiede)
3. Erläutere, wieso sich Piperin nicht durch eine Wasserdampfdestillation extrahieren lässt, obwohl es ebenfalls ein unpolares Molekül ist.